Irgendwo, 20. Juli 2024
Nach einer weniger ruhigen Nacht vor der Trinity Church in Kazbegi, deren nasse Luft von bellenden Hunden und Zelte aufstellenden Menschen durchschnitten wurde, starten wir in den Tag. In der Dämmerung kurz nach 6 Uhr brechen wir auf – und fahren uns fest. Eine ordentliche Schlammschlacht mit Fred auf meinen Auffahrblechen bleibt uns zum Glück erspart, stattdessen hält just in diesem Moment ein Pick-up Truck an und zieht uns aus der sportlich tiefen Pampe, in die wir mit Schieben immer weiter reingerutscht sind.
Jetzt aber wirklich. Mit Asphalt unter den Rädern fahren wir an die Grenze, den georgisch-russischen Übergang Lars. Es nieselt und ist so kalt, dass ich hier im Sommer mit zwei Pullis und Mütze rumflitze. „Sehr Deutsch“, sagt Edgar zu mir. Ich folge seinem Blick und bleibe an meinen Füßen hängen, die mit Socken in meinen Sandalen stecken. Naja, ich will ja nur über die Grenze.
Die Ausreise aus Georgien
Kurz vor der Passkontrolle trennen sich unsere Wege. Während ich mit meiner Müslischüssel in der Autoschlange stehe und die letzten Funken georgischer mobiler Daten nutze, um auf dem Handy Nachrichten zu schauen, marschieren Edgar und Elayis zu Fuß durch die Innenräume der Kontrollanlage. Dort verharren sie gute anderthalb Stunden, während ich draußen im Auto Kaffee koche und mich freue, mit einem Van unterwegs zu sein.
Schließlich ist es fast neun Uhr und wir schlängeln uns durch ein klippiges Tal sowie eine Reihe viel zu dunkler Tunnel zum russischen Posten. Dort dreht sich unser Wartezeitenverhältnis um. Nachdem unsere Pässe sowie das Gepäck im Auto kontrolliert wurden, darf ich mich mit dem Zoll auseinandersetzen. Diese Station, das habe ich in vorherigen Recherchen schon mitbekommen, ist der gefürchtete Teil.
Das relativ junge Grenzpersonal ist einigermaßen gut gelaunt. Das ändert allerdings nur wenig daran, dass man sich zwischen der strengen Kleidung und den genauen Anweisungen ziemlich klein fühlt. Wie Krümel auf einem großen Teppich: weitgehend irrelevant, aber ein klein wenig störend und in ständiger Ehrfurcht vor dem Staubsauger.
Mit meiner inzwischen ausgeprägten stoischen Ruhe bewege ich mich mit all meinen Dokumenten zum Schalter 29. Das Fenster der kleinen Bude, wie sollte es anders sein, ist natürlich erstmal zu. Davor warten allerdings noch ein paar andere ihre Fahrzeuge verzollen wollenden Krümel. Erstaunlich schnell erhasche ich, sobald sich die Fenster öffnen, meine Dokumente.
Deutsch wie ich bin, habe ich mich natürlich vorbereitet und fülle meine Dokumente der Vorlage entsprechend aus, die ich zuvor online gefunden und sogar ausgedruckt habe. Zurück am Fenster dann der Witz: Mein Vorlagedokument war nicht korrekt ausgefüllt. Also nochmal.
Am Schalter ist inzwischen einiges los. Die Krümel-Runde ist gewachsen und ungeduldig, Dokumente werden gewedelt und die Leute drängeln. Einige Fenster-Öffnungs-Runden lang komme ich nicht dazu, meine Dokumente nochmal vorzuzeigen, und als ich mich endlich bis zu der semi-netten Dame mit glattem Zopf und künstlich-vollen Lippen durchgekämpft habe, kommt der nächste Haken: Die zweite Hälfte meiner Migrationskarte hätte eigentlich schon bei der Passkontrolle entgegengenommen werden sollen. Ein bisschen zu viel Konjunktiv für meinen Geschmack.
Nun fängt das Flitzen an: Von Schalter zu Schalter. Ausführlich darf ich mir den Grenzbereich ansehen, bis ich schließlich in einem kleinen Flur warte, dessen veraltete Ausstattung mich an meine Schulzeit in Ostdeutschland erinnert. Schließlich, eine gute Zeit später, klärt sich das Thema und ich bekomme mein kleines halbes Kärtchen gestempelt zurück. Warum sind Grenzen eigentlich immer noch so unpraktisch analog?
Nach über fünf Stunden verlassen wir die russische Grenze und da sind wir, im größten Land der Welt. Unser Mittagessen – Kharcho, Brot, Ei und Rote-Beete-Salat – haben wir uns verdient. Noch einmal weit über eine Stunde geht ins Land, bis ich eine SIM-Karte und eine Autoversicherung erworben habe. Damit ist es dann bereits endgültig Nachmittag, als wir den eigentlichen Teil des Tages beginnen: Das Fahren. Flachland zwischen Islam und Post-Sowjetstil, bis es dunkel wird, bis wir auf einer dürren, trocknen Wiese zum Stehen kommen.
Dieser Text ist Teil eines Artikels, der im August in der Deutschen Allgemeinen Zeitung veröffentlicht wurde. Schaut doch mal rein und bleibt gespannt für mehr Informationen aus Russland und Kasachstan in den kommenden Tagen!
Hallo, schöner Blog, auch wir werden Transit durch Russland fahren, wenn wir nächstes Jahr aus dem Pamir kommen. 2022 waren wir mit dem Van auf einer ähnlichen Route wie du unterwegs bis in den Iran. Schau doch mal rein bei asiabike.de